Beim Minne-Slam stehen die Lieder des Schenken von Winterstetten im Mittelpunkt
Von Angela Körner-Armbruster
Winterstettenstadt - Eine gesungene Buchvorstellung ist ungewöhnlich. Geschieht dies in einer Sprache, die der Zuhörer nicht versteht, ist das Erlebnis ein wahrhaft Besonderes. Martin Selge, Germanist und Literaturprofessor, parlierte in Winterstettenstadt so ungezwungen in mittelhochdeutscher Sprache, als sei er ein Zeitgenosse des Schenken Uolrich von Winterstetten. Um jenen ging es nämlich an diesem Abend im Rief-Haus.
Sie boten die Lieder des Ulrich von Winterstetten für Zuhörer des 21. Jahrhunderts verständlich dar: (vorne v. l.) Tobias Heyel, Martin Selge, Britta Lutz, (hinten v. l.) Nikita Gorbunov, Marvin Suckut und Theresa Hahl. Foto: Angela Körner-Armbruster
Irgendwann zwischen 1241 und 1280 lebte der oberschwäbische Geistliche und Dichter und seine Literatur bestand überwiegend aus Tanzliedern und Minnelyrik. Sein Ruhm drang weit über Oberschwaben hinaus, man spricht gar von Weltruhm. Martin Selge beschäftigt sich mit Uolrichs Liedern seit nunmehr drei Jahrzehnten und stellt aktuell in Zusammenarbeit mit dem Kulturbetrieb des Landkreises Ravensburg eine umfassende Edition mit neuhochdeutschen Übersetzungen vor. Wer sich mit der Minnesprache schwertut, kann sich am wissenschaftlichen Kommentar der beigefügten CD orientieren.
Ob Uolrich nun "von Schmalegg" oder "von Schmalegg-Winterstetten" gerufen wurde? Sicher ist, dass man mangels Tonüberlieferungen nicht sicher sagen kann, wie seine Gesänge klangen und betörten. Hier ist der Mensch des 21. Jahrhunderts nun doppelt kreativ gefordert. Er darf sich auf die schwelgerische Bildsprache einlassen und selbst gesanglich kreativ werden. Im Rief-Haus geschah dies in vielfältiger Weise.